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Keine fristlose Kündigung trotz unentschuldigten Fehlens an einem Arbeitstag

Erscheinungsdatum 24.09.2020, LAG Schleswig-Holstein, 1 Sa 72/20 vom 03.06.2020:

Immer wieder wird die Frage seitens eines Arbeitgebers an uns herangetragen, ob man einen Arbeitnehmer, welcher unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben ist, nicht sofort einfach fristlos kündigen könne. Diese Ansicht scheint weitverbreitet zu sein, insbesondere, wenn der Arbeitnehmer bereits seit einer Woche oder länger unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben ist.

Gleichwohl gestaltet sich eine Kündigung in diesem Zusammenhang nicht so einfach, wie dies häufig angenommen wird. Grundsätzlich ist nämlich der Arbeitnehmer auch im Falle unentschuldigten Fernbleibens von der Arbeit zunächst abzumahnen.

Dies hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in der oben genannten Entscheidung selbst bei einem erst seit wenigen Tagen bestehenden Arbeitsverhältnisses entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte die Arbeitnehmerin ihre Tätigkeit erst am 01.08.2019 aufgenommen und war bereits am 09.08.2019 außerordentlich fristlos gekündigt worden, nachdem sie am 07.08. und 08.08.2019 nicht zur Arbeit erschienen war. Nachträglich reichte die Arbeitnehmerin noch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein, aus welcher sich ergab, dass sie zumindest am 08.08.2019 arbeitsunfähig erkrankt war. Es blieb also bei einem Tag unentschuldigten Fernbleibens am 07.08.2019.

Der Arbeitgeber hatte fristlos gekündigt, mit dem Hinweis darauf, dass das Arbeitsverhältnis ja erst seit wenigen Tagen bestünde und die Arbeitnehmerin bereits nach so kurzer Zeit an einem Tag unentschuldigt ferngeblieben sei. Es handele sich also um ein „gescheitertes Arbeitsverhältnis“. Daher sei eine Abmahnung entbehrlich gewesen.

Dies sah bereits das Arbeitsgericht Elmshorn in seiner Entscheidung am 21.01.2020 anders und wurde vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in der oben genannten Entscheidung bestätigt. Selbst wenn das Arbeitsverhältnis so kurzfristig besteht, ist vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung auszusprechen, da ansonsten keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Arbeitnehmerin nach Ausspruch einer Abmahnung mit Kündigungsandrohung der Arbeit auch weiterhin unentschuldigt ferngeblieben wäre.

Fazit ist und bleibt, dass auch bei unentschuldigtem Fernbleiben von der Arbeit keinesfalls ein Schnellschuss in Form einer (fristlosen) Kündigung erfolgen sollte. Die Reaktion auf ein derartiges Verhalten sollte also wohl überdacht und bestenfalls mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht besprochen werden. Die gilt sowohl für handelnde Arbeitgeber als auch für betroffene Arbeitnehmer, die sich mit einer solchen Kündigung konfrontiert sehen.

 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Gelsenkirchen
Helge Nitsche

 
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